Buddhisten des Meeres

Er schwimmt gezielt auf eine Tauchergruppe zu und bittet den Menschen um Hilfe. Eine Schnur mit Haken hat sich an seinem Körper verfangen, die er alleine nicht loswerden kann. Die im Wasser „tanzenden“ Mantarochen werden von ihm ignoriert. Er scheint zu wissen, dass der Mensch ein ebenfalls hochintelligentes Säugetier auf Augenhöhe ist, und dass nur er seine Bitte um Hilfe verstehen kann. Seinen Namen kennen wir nicht, aber er ist ein Delphin auf der Suche nach Unterstützung.

Dieses Szenario ist auf einem Video zu sehen, das vor mehreren Monaten um die Welt ging und von Tauchern aus Hawaii während eines Nachttauchgangs aufgezeichnet wurde. Mit Körpersprache kommunizierte dieser wilde Delphin sein Problem und ließ sich mehrere Minuten lang von dem Taucher geduldig den Haken entfernen und brachte ihm dabei sehr viel Vertrauen entgegen. Diese Aufnahme bekräftigt erneut die Theorie, dass Delphine neben dem Menschen die intelligentesten Lebewesen auf unserem Planeten sind, dass sie ein individuelles Bewusstsein haben und sich selbst als Persönlichkeit wahrnehmen. Zahlreiche Experimente der letzten Jahre haben gezeigt, dass sie sich sofort selbst im Spiegel erkennen und dass sie, wie der Mensch, über ein klares Ich-Bewusstsein verfügen. Delphin- und Hirnforscher ziehen sogar in Erwägung, dass diese weisen Erdbewohner über eine noch höhere emotionale Intelligenz verfügen, als wir, und dass sie uns eventuell auf empathischer und spiritueller Ebene voraus sind.

Aber das allein scheint noch nicht alles zu sein. Seit Kurzem steht bei Forschern die Frage im Raum: Haben sie womöglich eine Art kollektives Bewusstsein? Tauschen sie sich untereinander aus?
Wenn man sich ihre außerordentliche Intelligenz und ihr noch nicht vollständig erforschtes und komplexes Sprachsystem vor Augen hält, dann scheint diese Behauptung gar nicht so weit hergeholt zu sein. Umso beeindruckender wäre aber dann ihr Verhalten uns gegenüber. Man denke nur einmal an die jährlichen Massenmorde in Taiji, Japan, sowie an viele andere weltweite Massaker gegen diese freundlichen, lächelnden Gesichter und tief blickenden Augen. Tausende von ihnen werden regelmäßig von Menschenhand schmerzhaft und skrupellos abgeschlachtet und von ihren Familien getrennt. Beobachter solcher Horrorszenarien erzählen entsetzt von den qualvollen Schreien, der tiefen Verzweiflung und Trauer der Delphine. Bei diesen Bildern soll deutlich spürbar werden, dass sie denken und fühlen können, wie wir. Es ist also davon auszugehen, dass solche Wesen das Geschehene durchschauen. Und wer weiß, vielleicht ist ihnen sogar auch auf kollektiver Ebene bewusst, zu welchen grausamen Taten der Mensch fähig ist, und was er sich in seiner Geschichte in Bezug auf hochintelligente Lebewesen wie Delphine und Wale – sei es in der Wildnis oder in der Gefangenschaft – schon hat zuschulden kommen lassen.

Aber der Delphin hat sich noch nie gerächt oder Konsequenzen daraus gezogen. Ganz im Gegenteil: Er hat uns Menschen immer wieder mit Respekt behandelt, uns als ebenfalls intelligentes Säugetier erkannt, unsere Hilfe aufgesucht und seine angeboten, uns unterstützt und sogar in der Not gerettet – und zwar ganz ohne Vorurteil. Er begegnet uns immer wieder mit einem offenen Herzen, Vertrauen und Empathie, und wer weiß, vielleicht sogar Vergebung. Der Delphin in Hawaii zeigt, dass er eine Entscheidung aus dem Glauben an das Gute heraus trifft, obwohl er – wenn die erwähnte Hypothese zutreffen sollte – genug Gründe hätte, dem Menschen mit Misstrauen zu begegnen. Vielleicht sind Delphine auf gewisse Weise unsere spirituellen Begleiter auf dieser Erde, die uns durch ihr Verhalten immer wieder aufzeigen möchten, wie ein friedliches und respektvolles Zusammenleben auf dieser Welt aussehen sollte. Eines steht fest: Durch sie können wir sehr viel darüber lernen, was Solidarität, Achtung und leben lassen wirklich bedeutet. Delphine – sind sie die „Buddhisten“ des Meeres?

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